Management Summary

Ohne Ziele geht es nicht. Sie sind eine zwingende Voraussetzung dafür, ein Veränderungsvorhaben zu formulieren und später auch mit einer attraktiven Strategie in die Tat umzusetzen. Um Ziele aufzustellen, die die Organisation nachhaltig erfolgreich machen, braucht es Struktur und Teamwork – nicht jedoch ein kompliziertes, bürokratisches Programm.

Inhalt des Artikels

  • In High-performance Organisationen kommt es niemals zu einer Situation, in der es keine Ziele gibt.
  • Ziele haben konkrete Auswirkungen auf das Handeln aller Personen im Unternehmen und damit auch auf Umsetzungsgeschwindigkeit sowie Ergebnisse eines Veränderungsprozesses.
  • Sinnvolle Ziele hat nicht nur der Geschäftsführer, sondern ein ganzes Team strukturiert erarbeitet.
  • Es gibt einerseits Ziele und andererseits Hebel, um die Ziele zu erreichen. Ein Praxisbeispiel zeigt auf, wann ein Ziel ein „wirkliches“ Ziel ist.

Oft ist zu hören: „Wir verzichten auf Ziele, das hat bei uns noch nie zu etwas geführt.“ Die Zukunft sei ohnehin nicht vorhersehbar, die Dinge könnten sich täglich ändern. Zudem seien Ziele gerade für ein mittelständisches Unternehmens hinderlich, um flexibel reagieren zu können. Also überspringt man gerne einmal diesen Punkt im gesamten Strategieprozess. Ziele sind jedoch Fixpunkte, an denen gemessen wird, ob das Unternehmen dem Unternehmenszweck näherkommt. Eine Umsetzungsstrategie beschreibt lediglich, wie die Organisation konkret aussieht, wenn die Ziele erreicht sind. Sie ist also immer nur Mittel zum Zweck. Daher gilt: Ohne Ziele zu setzen, ist eine sinnvolle Umsetzungsstrategie gar nicht möglich – ist der Strategieprozess von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

High-Performance Organisationen handeln zielorientiert

Warum sollten wir zielorientiert handeln? 1979 gab es an der Harvard-Universität eine Untersuchung über den Werdegang von Absolventen. Die Studie erfolgte über einen Zeitraum von zehn Jahren mit folgenden Ergebnissen:

  • 83 Prozent der Abgänger verfügten über keine konkrete Zielsetzung für ihre Karriere. Sie gingen einfach davon aus, dass sie es auf Basis ihres renommierten Harvard-Abschlusses zwangsläufig „zu etwas bringen“ würden.
  • 14 Prozent der Absolventen hatten klare Zielsetzungen für ihre Karriere, diese Ziele jedoch nicht schriftlich fixiert. Diese 14 Prozent verdienten zehn Jahre nach ihrem Abschluss im Durchschnitt das Dreifache der Absolventen aus der ersten Gruppe, die keine festen Ziele hatten.
  • Lediglich drei Prozent der Absolventen hatten klare Zielsetzungen für ihre Karriere und hatten diese auch schriftlich festgehalten. Und jetzt kommt das Entscheidende: Diese drei Prozent verdienten im Durchschnitt nach zehn Jahren das Zehnfache der Absolventen aus der ersten Gruppe, die keine festen Ziele und keine schriftliche Planung hatten.

Ziele verbessern die Ergebnisse – und das lässt sich auch auf Unternehmen übertragen. Ziele geben Klarheit und Orientierung. Sie zeigen Ihnen und Ihren Mitarbeitern auf, wohin es geht. Sie helfen zudem Prioritäten zu setzen. Sie liefern den Maßstab, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und fördern so die Konzentration der eingesetzten Kräfte. Letztlich machen Ziele Erfolg erst messbar. Sie sind daher die mittel- und langfristige Vorgabe, um beständig zu prüfen, ob man noch auf dem richtigen Kurs ist.

Kurz: Der Unterschied zum Durchschnitt liegt darin, dass der wirklich Erfolgreiche konsequent zielorientiert handelt. Eine High-Performance Organisationen agiert niemals ohne Ziele. Dies gilt umso mehr beim Start von Veränderungsprojekten.

Das folgende Praxisbeispiel beschreibt, wie zwei geschäftsführende Inhaber eines Speditionsunternehmens vorgegangen sind, um ihre Ziele aufzustellen. Was brauchte es dazu? Wer war beteiligt, welcher Aufwand war damit verbunden?

Mit einem Zielbild den Zielprozess starten

In einem mittelständischen Speditionsunternehmen glaubten die beiden geschäftsführenden Inhaber,  ihre Ziele zu kennen. Doch taten sie sich schwer damit, ihren Mitarbeitern ihre Vorstellungen klar und verständlich zu vermitteln. Als sie ihre Ziele deshalb zunächst schriftlich formulieren wollten, mussten sie feststellen, dass sie damit Schwierigkeiten hatten.

Diese Situation ist typisch. Häufig findet man in Unternehmen Finanzziele wie beispielsweise Umsatz- und Gewinnziele. Sie sind einfach aufzustellen und einfach zu messen – stellen jedoch in der Praxis meist nur Geschäftsführer und Controller zufrieden. Weitaus schwieriger ist es, Ziele auszuarbeiten, die die Organisation nachhaltig erfolgreich machen. Ziele einer mittelständischen Spedition können beispielsweise auch sein:

  • Wir möchten von 50 Prozent unserer A-Kunden eine Referenz haben, dass sie durch unsere Dienstleistung in ihrer Logistikkette zuverlässiger geworden sind.
  • X Prozent unserer Mitarbeiter/innen bestätigen uns, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber im Raum XY sind, und haben uns eine positive Bewertung auf kununu.com ausgestellt.

Wie kann es nun gut gelingen, solche Ziele zu erarbeiten?

Die beiden Geschäftsführer im Praxisbeispiel beschlossen, ihre Ziele mit einer strukturierten Vorgehensweise im Rahmen einer “Zukunftswerkstatt” aufzustellen. Dafür nahmen sie sich ganz bewusst eine Woche Zeit und schrieben jeweils für sich alleine auf zwei bis drei DIN A4 Seiten eine so genannte Zielbildstory.

Stellen Sie sich einen Tag in drei Jahren vor. Sie durchstreifen das Betriebsgelände und die Flure Ihres Unternehmens. Was sehen Sie da, was beobachten Sie?  Beschreiben Sie möglichst genau, was Sie bildlich vor sich sehen. Das hat nichts mit Esoterik zu tun und es geht auch nicht darum, die Zukunft vorherzusehen. Es geht vielmehr darum, ein Bauchgefühl für Morgen zu bekommen und fassbare Bilder zu gewinnen, anstatt sich das letzte Jahresergebnis anzusehen und auf das Ergebnis drei Prozent als neuen Zielwert aufzuschlagen. Wichtig dabei: Schreiben Sie einen Fließtext, Stichworte genügen nicht. Das Schreiben eines ausformulierten Fließtextes zwingt zu logischem und präzisem Denken. Eine wichtige Voraussetzung für die Formulierung von sinnvollen Zielen.

Die Zielbildstory beginnt mit einem Blick aus der Zukunft zurück auf die Gegenwart. Im Beispiel der beiden Geschäftsführer begann sie folgendermaßen: „Wir befinden uns im Dezember des Jahres 2024 und blicken zurück auf unser Veränderungsvorhaben in 2022. Wir beschreiben die damalige Situation, den Weg, den wir seither genommen haben, sowie unseren heutigen Zustand…“. Jeder der beiden Geschäftsführer verfasste jetzt seine Geschichte.

Wirkliche Ziele bestimmen

Im nächsten Schritt folgte ein extern moderierter Workshop, um anhand der beiden Geschichten gemeinsame Ziele zu erarbeiten.

Der Moderator ließ dafür beide Geschäftsführer ihre Stories vorlesen und schrieb zunächst alle vorkommenden Erfolgsfaktoren auf ein Whiteboard. Schnell erkannten die beiden Spediteure, dass bestimmte Erfolgsfaktoren auf andere einen großen Einfluss ausüben, während manche keinen direkten Einfluss auf andere mehr haben.

Wenn ein Aspekt einen anderen beeinflusst, werden diese beiden auf dem Whiteboard mit einem Pfeil verbunden. Schließlich entsteht auf diese Weise ein so genanntes Wirknetz, mit Hilfe dessen die Geschäftsführer folgende Erkenntnis gewannen. „Wirkliche“ Ziele sind jene, die am Ende der Kette keinen Einfluss mehr auf andere Punkte ausüben. Alle anderen Punkte stellen eher Hebel dar, um die Ziele zu erreichen.

Das Wirknetz im Praxisbeispiel (Abbildung 1) zeigt beispielsweise, dass „Fluktuationsquote bei Berufskraftfahrern und Disponenten reduzieren“ eine Folge von „Arbeitgeberattraktivität erhöhen“ ist. Demzufolge ist die Reduzierung der Fluktuationsquote das eigentliche Ziel und die Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität einer der Hebel dazu.

Dieses strukturierte Vorgehen offenbarte den Geschäftsführern auch, warum es ihnen in der Vergangenheit nicht gelungen war, gemeinsame Ziele präzise zu formulieren: Der Unterschied zwischen Ziele und Hebel ist zwar einfach zu verstehen, war jedoch den beiden bei der Ziel-Erarbeitung nicht bewusst. Und so haben sie zwar immer das gleiche im Sinn gehabt, aber oft aneinander vorbei argumentiert, so dass sie nie gemeinsam ihre Vorstellungen auf Punkt bringen konnten.

Praxistipp

Wenn Ihnen das Wirknetz zu unübersichtlich ist und Sie lieber tabellarisch-mathematisch arbeiten, bietet sich eine so genannte Einflussmatrix an. Hierbei schreiben Sie alle Erfolgsfaktoren jeweils in die Zeilen und Spalten und bewerten dann die direkten Beziehungen zwischen den Faktoren (siehe Abbildung 2): Für jedes Faktorenpaar wird der Einfluss bewertet, mit dem der eine Faktor auf den anderen wirkt. Die Bewertung erfolgt anhand einer Skala von 3 (=starke Wirkung) bis 0 (=keine oder sehr schwache Wirkung). Die Passivsumme eines Faktors ergibt sich aus der Summe aller Werte einer Spalte. Sie ist ein Maß dafür, wie stark der jeweilige Faktor durch alle übrigen Faktoren beeinflusst wird. Die am wenigsten beeinflussten Faktoren sind Ihre wirklichen Ziele.

Praxistipp

Wenn Ihnen das Wirknetz zu unübersichtlich ist und Sie lieber tabellarisch-mathematisch arbeiten, bietet sich eine so genannte Einflussmatrix an. Hierbei schreiben Sie alle Erfolgsfaktoren jeweils in die Zeilen und Spalten und bewerten dann die direkten Beziehungen zwischen den Faktoren (siehe Abbildung 2): Für jedes Faktorenpaar wird der Einfluss bewertet, mit dem der eine Faktor auf den anderen wirkt. Die Bewertung erfolgt anhand einer Skala von 3 (=starke Wirkung) bis 0 (=keine oder sehr schwache Wirkung). Die Passivsumme eines Faktors ergibt sich aus der Summe aller Werte einer Spalte. Sie ist ein Maß dafür, wie stark der jeweilige Faktor durch alle übrigen Faktoren beeinflusst wird. Die am wenigsten beeinflussten Faktoren sind Ihre wirklichen Ziele.

Das richtige Mindset

Natürlich stimmt es: Die Zukunft ist weder vorhersehbar noch bleiben alle Rahmenumstände dieselben. Und so scheut man sich, Ziele klar schriftlich festzulegen. Denn wie steht man denn vor den Geschäftsführerkollegen oder gar vor den Mitarbeitern da, wenn die Messlatte gerissen wird? Scham und Schuldgefühle machen sich breit. Das ist oft der eigentliche Grund, warum der Zieleprozess gekonnt übersprungen wird.

Niemals darf daher aus Zielen ein Dogma werden. Man sollte sie vielmehr als Messpunkte begreifen, an denen die Organisation feststellen kann, ob sie ihrem Unternehmenszweck näher kommt. Dabei empfiehlt es sich, Ziele möglichst hoch zu hängen, denn sie sollen der gesamten Organisation Motivation sowie Zugkraft verleihen nach dem Motto: „Wenn die Ziele zu 100 Prozent erreicht wurden, dann waren sie nicht ambitioniert genug.“ Es ist diese Einstellung, die sich High-Performance Organisationen zu eigen und damit erfolgreich machen.